Konfliktzone Mietrecht: Wohnen, Mieten, Streiten

Shownotes

Darum geht`s in dieser Episode

Auf einem zunehmend angespannten Wohnungsmarkt führt die Angst vor Kündigung oder steigenden Kosten dazu, dass viele Mieter:innen Konflikte vermeiden. Stattdessen arrangieren sie sich mit problematischen Mietbedingungen, weil sie sich in einer schwächeren Position sehen. Gleichzeitig kritisieren Vermieterinnen und Vermieter, dass der Mieterschutz immer weiter ausgebaut wird und sie Flexibilität verlieren. Das Mietrecht soll zwischen beiden Seiten vermitteln – doch gelingt das wirklich? Wer trägt die Verantwortung für einen fairen Wohnungsmarkt? Und wie lassen sich die Interessen von Mieter:innen und Vermieter:innen besser in Einklang bringen?

Für mehr Informationen über uns und spannende Einblicke ins Recht folgt uns auf Instagram: @stiftungforumrecht. Oder besucht uns auf unserer Website.

Moderation: Marie-Elisabeth Miersch, Stiftung Forum Recht

Produktion und Redaktion: Das Team der Stiftung Forum Recht

Warum wir darüber sprechen

Juristische Themen haben oft das Image, schwer verständlich und hoch kompliziert zu sein. Dabei gehen viele Fragen des Rechts uns alle etwas an. Die Meinungsfreiheit zum Beispiel: Sie ist ein Grundrecht, das allen Bürger:innen in Deutschland entsprechend unserer Verfassung zusteht. Warum kommt es dennoch vor, dass Gesetze erlassen werden, die dieses Grundrecht unter bestimmten Bedingungen einschränken?

Abwechselnd an den beiden Stiftungsstandorten Leipzig und Karlsruhe sowie zu stets wechselnden Themen laden wir alle interessierten Menschen ein, über Gesetzgebung, Rechtsausübung und Rechtsschutz zu diskutieren. „Let’s Talk About Recht“ bietet Einblicke in verschiedene Bereiche des Rechts und des Rechtsstaats und zeigt anhand von Beispielen aus der Praxis, wo und wie sie im Alltag wirken und welche Bedeutung sie für unsere Gesellschaft haben.

Quellen & weiterführende Informationen:

Wenn ihr wissen möchtet welche Rechte ihr als Mieter:in habt, könnt ihr auf der Seite des Deutschen Mieterbund euren Mieterverein vor Ort suchen, der euch bei mietrechtlichen Fragen weiterhelfen kann.

Mehr Informationen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das in dieser Folge angesprochen wurde, findet ihr auf der Seite der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Die vom Bundesjustizministerium (BMJ) in Auftrag gegebene Studie zum Rückgang der Eingangszahlen bei Zivilgerichten und eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse könnt ihr in der Pressemittteilung des BMJ nachlesen.

Ihr wollt live bei der Gesprächsreihe mitdiskutieren? Auf der Veranstaltungsseite findet Ihr Infos und Termine.

Mehr zur Stiftung Forum Recht & zu allen Veranstaltungen: https://stiftung-forum-recht.de/

Transkript anzeigen

Transkript: Let`s Talk About Recht - Der Live-on-Tape Podcast zur GesprächsreiheFolge #2: Konfliktzone Mietrecht: Wohnen, Mieten, Streiten

Marie-Elisabeth Miersch:

Let's talk about Recht, der Live-on-Tail-Podcast zur Gesprächsreihe der Stiftung Forum Recht. Wir sprechen mit unseren Gästen über spannende Rechtsthemen, die Ihnen in Ihrer täglichen Arbeit begegnen und uns alle etwas angehen.

Hallo und herzlich willkommen zu Let's Talk about Recht. Mein Name ist Marie-Elisabeth Miersch. Ich bin Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Forum Recht. Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben und mit uns und unseren Expert:innen ins Gespräch kommen wollen über das Mietrecht. Diese Veranstaltung richtet sich, wie alle unsere Veranstaltungen, nicht in erster Linie an ein juristisches Fachpublikum, auch wenn wir uns sehr freuen, dass wir auch Jurist:innen bei unserer Veranstaltung heute haben. Sondern es geht darum, auch das Recht verständlich zu machen für und mit denjenigen, die keine Jurist:innen sind, aber die eben das Recht unmittelbar betrifft. Siehe unser heutiges Thema, das Mietrecht. Deshalb bitte ich auch die Jurist:innen unter Ihnen, es mir nachzusehen, wenn ich für die Anwesenden zum besseren Verständnis immer mal wieder nachhake und unsere Gäste bitten werde, auch Rechtsbegriffe zu erklären.

Und damit es heute auch ein echter Talk wird, wollen wir Sie als Publikum aktiv einbinden. Auf Ihren Plätzen finden Sie Abstimmungskarten mit Ja und Nein, mit denen Sie sich zu gegebener Zeit beteiligen können. Und besonders freuen wir uns, dass dieses Gespräch nicht nur hier vor Ort stattfindet, sondern auch Teil unseres Live-on-Tape-Podcasts Let's Talk About Recht ist. Damit ermöglichen wir es noch einem... noch größeren Publikum, die spannenden Einblicke aus den Gesprächen mitzunehmen.

Aber genug davon. Ich freue mich so sehr, Ruth Zöller und Götz Pasker heute bei uns begrüßen zu dürfen. Liebe Frau Zöller, lieber Herr Pasker, schön, dass Sie da sind. Ich möchte Sie beide erst mal kurz vorstellen.

Wir fangen mal mit Ihnen an, Frau Zöller. Sie sind 1961 in Bruchsal geboren. Sie unterbrechen mich, wenn ich hier irgendwas Falsches sagen sollte. Sie sind Rechtsanwältin und auch Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, so heißt das offiziell, seit 1990 neben der Rechtsanwaltstätigkeit in der Mieterberatung tätig. Und seit 2019 Geschäftsführung des Mietervereins Karlsruhe. Der Mieterverein ist verbandlich organisiert und auch über den Bundesverband DMB Mieterbund Berlin angeschlossen. Und deshalb auch auf politischer Ebene vertreten, wenn es um Rechte von Mieterinnen und Mietern geht. Und deshalb haben wir Sie heute auch eingeladen, insbesondere die Perspektive der Mieter:innen einzunehmen. Soweit erstmal zu Ihnen.

Und Herr Pasker, Sie sind 1966 in Karlsruhe geboren, haben Rechtswissenschaft studiert an der Universität Tübingen. Wo haben Sie studiert? In Heidelberg, alles nicht so weit weg, also ein bisschen Heimspiel hier. Sie sind seit 1995 Rechtsanwalt in Karlsruhe, also dieses Jahr Jubiläum, kann man sagen? Ja, können wir groß feiern. Sie sind Fachanwalt für Arbeitsrecht und eben auch für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Und sind darüber hinaus auch Präsident des Anwaltsvereins Karlsruhe und noch in etlichen weiteren Mitgliedschaften. Und Sie werden heute insbesondere die Perspektive der Vermieter und Vermieterinnen einnehmen. Obwohl man dazu sagen muss, dass sie in ihrer alltäglichen Arbeit auch Mieter haben als Mandanten. Bevor wir direkt mit den inhaltlichen, interessanten Fragen zum Mietrecht beginnen, vielleicht nochmal an Sie gefragt, Frau Zöller. Wollen Sie uns kurz mal erzählen, warum Sie sich gerade dafür entschieden haben, Geschäftsführerin eines Mietervereins zu werden? Sie hätten sich ja auch der Vermieterseite anschließen können.

Ruth Zöller:

Ja, das ist richtig, aber ich habe festgestellt, dass es mir leichter fällt, beziehungsweise meine größere Interessenlage dahin geht, eben Mieter zu beraten und über ihre Rechte und auch Pflichten zu beraten und auch aufzuklären. Und ich auch den Eindruck habe, dass ich auf die Art und Weise auch recht gut vermittelnd oder vermittelnder tätig sein kann zwischen Vermieter- und Mieterseite.

Marie-Elisabeth Miersch:

Und wie ist es bei Ihnen? Was hat Sie am Mietrecht allgemein so fasziniert?

Götz Pasker:

Zu der Zeit, als ich Anwalt wurde, das war noch eine Zeit, da hat erstmal jeder Anwalt alles gemacht. Da gab es diese Spezialisierung, wie wir sie heute kennen, die gab es nicht. Und ich kam in eine kleine Kanzlei rein, das waren drei Anwälte, und da hieß es, mach du mal Mietrecht. Ja, habe ich dann auch gemacht. Das hat mir auch Spaß gemacht vom Thema her und was mir immer gefallen hat, ich habe, wie Sie richtig bemerkt haben, ich vertrete zwar überwiegend Vermieter, ich vertrete aber auch in großer Anzahl Mieter. Ich halte es auch für sinnvoll, dass ich immer auf beiden Seiten die Interessenlage im Blick habe. Das erleichtert es mir hinterher dann auch, sagen wir auch hier vermitteln tätig zu werden, weil ich mich immer so ein bisschen in die Gegenseite hineinversetzen kann. Das Mietrecht, was mich gereizt hat, sind einfach auch die sozialen Bezüge. Man hat sehr viel mit Menschen zu tun, das habe ich schon immer gern gemocht an meinem Job. Und ja, und dann hat sich das halt im Laufe der Zeit so ergeben, dass es immer mehr wurde im Mietrecht, hab mich dann auch weiter spezialisiert und das war dann so der Auslöser.

Marie-Elisabeth Miersch:

Ja, vielen Dank. Als wir im Vorfeld miteinander gesprochen haben, haben wir auch darüber geredet, was die Leute übers Recht denken, gerade übers Mietrecht, was manchmal auch unklar erscheint. Deshalb würde ich direkt mit einer Abstimmungsfrage beginnen. Also Sie, liebes Publikum, bitten, mir gleich zu antworten, ob Sie denken, das ist wahr oder falsch. Wenn wahr, dann bitte Ja nach oben halten. Falsch dann mit der Nein-Seite. Und zwar: Wie ist das? Wenn ich drei Nachmieter stelle, kann ich eigentlich direkt aus meinem Mietvertrag ausscheiden. Ist das wahr oder falsch? Okay.

Götz Pasker:

Wir haben das vorinformierte Publikum.

Marie-Elisabeth Miersch:

Wir müssen auch für unseren Podcast nochmal dazu sagen, wir haben nur drei Leute, die sagen, dass es wahr ist und der Rest sagt, nein. Vielleicht, Frau Zöller, können Sie uns da weiterhelfen und das auflösen.

Ruth Zöller:

Ja, wir hatten ja im Vorgespräch so als Eingangsfrage, gibt es so Mythen, die sich im Mietrecht halten über Jahrzehnte - Kollegen können das sicher bestätigen. Und diese Nachmietergeschichte, also ist einer der Mythen, die sich hält. Und zwar sind viele Mieter der Auffassung, wenn sie aus dem Mietverhältnis ohne Einhaltung von der Kündigungsfrist aussteigen wollen, dass sie dann einfach drei Nachmieter benennen müssen und der Vermieter dann einen dieser Nachmieter auch nehmen muss und den aktuellen Mieter dann ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aus dem Mietverhältnis entlassen muss. Und das ist aber, wird der Kollege ja gleich dann auch bestätigen können, nicht so. Es gibt die Möglichkeit, vielleicht das gleich dazu, Nachmieter zu stellen, aber das funktioniert nur, wenn der Vermieter mit einverstanden ist, also wenn der Vermieter und der Mieter eine Vereinbarung treffen, dass der Vermieter sagt, okay, bring mir drei Nachmieter und wenn da dann einer ein angemessener, ein annehmbarer dabei ist, dann kann das Mietverhältnis auch vorher beendet werden.

Marie-Elisabeth Miersch:

Dankeschön. Sie hatten das gerade, als diese ganzen Nein-Stimmen hochgingen, das sei ein vorinformiertes Publikum. Ich würde nicht mal davon ausgehen, dass hier alles Vermieter sind, die super informiert sind. Wie erklären Sie sich, dass es doch immer mehr Wissen darüber gibt?

Götz Pasker:

Ja gut, ich meine, es gibt heute vielfache Informationsquellen, insbesondere im Internet, da gibt man die Frage ein, dann kriegt man die Antwort. Ich denke, den Ursprung hatte dieser Mythos, glaube ich, in der Zeit vor der letzten großen Mietrechtsreform, wo es sowohl für die Mieter als auch für die Vermieter eine von der Dauer des Mietverhältnisses abhängige, gestaffelte Kündigungsfrist gab. Also heute haben wir die gestaffelten Kündigungsfristen nur für den Vermieter, das heißt, die Grundkündigungsfrist sind drei Monate, wenn das Mietverhältnis fünf Jahre dauert, habe ich sechs Monate und ab acht Jahren habe ich neun Monate. Und diese Fristen galten früher, vor der letzten großen Mietrechtsreform, wann war die? Das ist schon ein paar Tage her. Und diese Fristen, diese langen Fristen galten unter Umständen dann auch für die Mieter. So und wenn ich als Mieter eine neue Wohnung suche und habe eine gefunden und sage dem potenziellen neuen Vermieter, schön, wir werden uns einig, in neun Monaten bin ich da, dann wird das nix. Und da kamen dann diese Geschichten mit dem Nachmieter. Da ist heute nicht mehr so viel Musik drin, weil für die Mieter eigentlich eine unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses geltende Grundkündigungsfrist von drei Monaten gilt. Also sie sind relativ schnell raus.

Marie-Elisabeth Miersch:

Was sind denn derzeit sonst so die Dauerbrenner-Streitthemen, mit denen vor allem Vermieter zu Ihnen kommen?

Götz Pasker:

Ja gut, ein großes Thema in meiner Praxis sind oft Streitigkeiten nach Beendigung eines Mietverhältnisses, weil eben der Vermieter mit dem Zustand der Wohnung, den hat er sich irgendwie anders vorgestellt, meint manchmal auch, er hätte jetzt Anspruch auf was anderes, auf mehr. Aber ein großes Thema war, bis die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann auch relativ glatt gezogen wurden, waren die Schönheitsreparaturen. Da gab's also dann Verträge, wo dann strikt drin stand, also nach zwei Jahren musst du auf jeden Fall das und das streichen, nach drei Jahren die und die Zimmer. Das ist alles mittlerweile durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs glattgezogen. Der sagt, diese starren Fristen gelten nicht mehr. Es heißt nach Erforderlichkeit. Aber da ist aus dem Thema Schönheitsreperaturen dann eher die Musik raus. Was immer noch ein Thema ist, sind Schäden in der Wohnung. Also wenn ausgezogen wird, sind Schäden da, am Holzboden oder an den Wänden oder wie auch immer. Das sind Themen, die wir da haben.

Wir hatten es im Vorfeld auch besprochen, was in den letzten zwei Jahren ein Dauerbrenner war, und ich denke, das ist sowohl auf Mieter- als auch auf Vermieterseite, sind halt die Betriebskosten. Also Mieter, wurden natürlich durch die gestiegenen Energiepreise mit Betriebskostenabrechnung konfrontiert. Oder Nachzahlungsbeträge, in der Vergangenheit lagen die, wenn sie überhaupt welche hatten, bei drei-, vierhundert Euro und plötzlich standen da zwei-, zweieinhalbtausend Euro. Die nachbezahlt werden soll, allein wegen gestiegener Energiekosten. Und das stellt die Leute natürlich vor Probleme. Und da wollen sie es halt überprüft haben. Und das war ein großer Bereich unserer Beratungstätigkeit.

Marie-Elisabeth Miersch:

Deckt sich das auch mit Ihrem Arbeitsalltag, gerade im Mieterverein?

Ruth Zöller:

Also das kann ich bestätigen, also vor allem der Bereich Betriebskosten ist ein Großteil unserer Tätigkeit, die Mieterinnen und Mieter eben über die Wirksamkeit, über die Korrektheit der Betriebskosten zu beraten und wie der Kollege Pasker schon gesagt hat, dadurch, dass ja die Energiepreise derart gestiegen sind, hat das Ganze natürlich noch zusätzlich an Fahrt aufgenommen, weil das dann richtig an den Geldbeutel geht von den Menschen. Und da ist es dann immer auch, ich sag mal, ja, fast tragisch für uns, wenn wir nicht doch vielleicht einen Fehler finden und sagen können, naja, da kann man was abziehen oder das ist nicht ganz korrekt abgerechnet. Sondern sagen muss, ja, wir haben jetzt alles überprüft, haben auch die Belege eingesehen, aber es ist halt doch zu zahlen.

Marie-Elisabeth Miersch:

In unserer Gesellschaft ist Streit, das Thema Streit oft auch negativ behaftet. Also im besten Fall herrscht Frieden auch in der Gesellschaft. In der Beziehung, dass man sich so wenig wie möglich streitet. Wie würden Sie das sehen? Wie wichtig ist es, dass im Recht eben nicht immer Einigkeit herrscht?

Ruth Zöller:

Ja gut. Es ist so, dass im rechtlichen Bereich verschiedene Positionen vertreten werden können. Die Positionen sind nicht immer sehr eindeutig, ja, dass man genau sagen kann, im Gesetz steht es so und deshalb ist es in diesem Fall auch tatsächlich so. Sondern es gibt Möglichkeiten, Dinge auszulegen und anders zu sehen. Deshalb haben wir ja auch zwei Seiten vor Gericht. Es ist dann unsere Aufgabe zunächst mal zu prüfen, was ist denn der rechtliche Hintergrund, die rechtliche Situation und dann anhand des konkreten Sachverhaltes auch zu sagen, man kann das so oder kann das so sehen. Und danach ist dann eben entsprechend zu bemessen: wie sieht es aus? Kommt man mit dem Vermieter, mit der Vermieterin überein, dass man dann irgendeine Lösungsmöglichkeit findet? Ansonsten muss es eben vor Gericht entsprechend entschieden werden, wie es das Gericht letztendlich rechtlich sieht.

Marie-Elisabeth Miersch:

Sie nehmen ja auch eine direkte Position ein im Mieterverein für die Mieterseite. Sie nehmen ja auch eine direkte Position ein im Mieterverein für die Mieterseite. Wie unterscheidet sich denn Ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin des Mietervereins von der Tätigkeit als Rechtsanwältin, was Sie ja auch mehr als dreißig Jahre lang ausgeführt haben.

Ruth Zöller:

Ja, bei uns ist es oft so, dass die Mieterinnen und Mieter zunächst mal zu einer reinen Beratung kommen. Das ist so, würde ich sagen, der große Unterschied, dass ich einen Anwalt besuche. Es gibt auch, klar, ich gehe auch zum Rechtsanwalt, um mich nur beraten zu lassen. Aber da das auch nicht so günstig ist, kommt es dann doch nicht so häufig vor, sondern man wartet dann bis ein gewisser Konflikt aufgetreten ist und lässt sich dann entsprechend beraten. Bei uns ist es so beim Mieterverein, dass die Leute zunächst mal zu reiner Beratung kommen, um überhaupt gesagt zu bekommen, wie sieht denn die Rechtslage an sich aus. Um sich schon im Vorfeld, bevor sie sich dann mit dem Vermieter über bestimmte Dinge unterhalten oder auseinandersetzen, zu wissen, welche Position habe ich denn überhaupt. Und unsere Aufgabe auch bei Mieterfeiern, vielleicht wenn ich das noch anschließen darf, ist eigentlich zu versuchen, einen gewissen Ausgleich zu finden, also eine einvernehmliche Lösung, damit es nicht unbedingt vor Gericht enden muss jede Streitigkeit.

Marie-Elisabeth Miersch:

Würden Sie das auch so sehen, Herr Pasker?

Götz Pasker:

Wie sagt der Anwalt immer so schön: es kommt darauf an. Ja, also ich habe sehr viele Mandanten, die einfach kommen, die zunächst mal wissen wollen, wie ist die rechtliche Position. Da muss man auch den Kostenhintergrund sehen. Sehr viele Leute haben heute eine Rechtsschutzversicherung, die auch so eine Erstberatung finanzieren, bereitwillig finanzieren, weil oft stellt sich im Rahmen einer Erstberatung schon mal raus, okay, diese Position ist aussichtslos oder wie auch immer. Wenn wir streiten vor Gericht, ob wir mit den Mietern streiten oder Vermietern streiten, wir streiten oft auch nicht mal so arg um die Rechtlinie, oft geht es um den tatsächlichen Bereich. Da hat sich ein Sachverhalt zugetragen. Beispiel Mietminderung. Die Wohnung lässt sich nicht richtig beheizen. Der Vermieter sagt, die Heizung funktioniert einwandfrei. Der Mieter sagt, mir ist zu kalt. Dann geht es darum, ja, was ist eigentlich in der Wohnung? Weil daraus resultiert ja dann das Minderungsrecht oder wenn es um Kündigungen geht, wenn, was weiß ich, wenn es da Stress gab zwischen Vermieter und Mieter, wenn man sich beleidigt hat, wer hat jetzt was zu wem gesagt? Da müssen Zeugen vernommen werden. Wir sind sehr vor Gericht, bevor das Rechtliche drankommt, muss erstmal der Sachverhalt klar sein. Ich sage ja immer, meine Frage an meine Mandanten, egal ob sie Mieter oder Vermieter sind, ich lasse die immer den Sachverhalt schildern und frage dann: wie fühlen sie sich an sich eigentlich im Mietverhältnis. Soll es weitergehen? Oder ist eh schon auf dem absteigenden Ast? Und danach richtet man ja auch die weiteren Aktionen. Wenn ich mich eigentlich ganz gut verstehe mit meinem Vermieter, habe ich jetzt nur ein Problem, weil ich glaube, ich werde jetzt mit Kosten konfrontiert, die ich nicht bezahlen will. Oder er will mehr Miete haben und ich sage, das will ich jetzt auch nicht bezahlen, dann gebe ich den Tipp, ich halte mich als Anwalt vielleicht erst mal im Hintergrund. Versuchen Sie sich mit dem auf der und der Basis zu einigen, wenn das Vertragsverhältnis fortbestehen soll. Wenn wir mal vor Gericht sind miteinander, ist eigentlich das Vertragsverhältnis belastet. Ich sage immer, wir sind alle nette Menschen, aber wenn Post von mir kommt, steht da Rechtsanwalt drüber. Das ist schon mal... eine Ansage. Und insofern sage ich: versucht's vielleicht erst mal allein, ich gebe euch einen Tipp, ich formuliere euch auch gerne was und versucht da die vermittelnde Lösung herbeizuführen.

Marie-Elisabeth Miersch:

Und wenn das mal klappt, diese vermittelnde Lösung, dass sich geeinigt wird, eben nicht vor Gericht, sondern außergerichtlich - wie wir das auch so schön nennen - spielt da das Recht überhaupt eine große Rolle bei diesen außergerichtlichen Einigungen?

Ruth Zöller:

Ja, auf jeden Fall, weil daran ja sich anschließt, welche Position kann ich denn überhaupt einnehmen? Dazu muss ich ja erst mal wissen, wie ist die rechtliche Grundlage zur Lösung des Problems?

Götz Pasker:

In dem Moment, wo man sich entschließt, sich zu einigen, ich sage immer, abseits der rechtlichen Kategorien, wenn ihr euch einigen wollt, müsst ihr einen Modus finden, wie ihr weitermacht. Ob der sich jetzt dann eins zu eins mit der und der Vorschrift deckt oder ob ihr bei streitiger Durchsetzung hier dreihundertfünfzig Euro mehr oder weniger bekommt, darauf kommt es dann nicht mehr an. Es kommt drauf an, man sucht eine Lösung, natürlich, die darf nicht rechtswidrig sein, aber man ist dann eher im tatsächlichen Bereich, wo man dann einfach sagt, wir haben die und die Situation, da haben wir den Konflikt. Da haben wir Interesse Vermieter, haben wir Interesse Mieter. Jetzt versuchen wir das irgendwie zusammenzuführen. Und im Idealfall, also wenn es jetzt wirklich um gravierende Dinge geht, dann formuliert man eine abschließende Vereinbarung im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs oder Ähnliches. Oder man macht's einfach, so wie man sich verständigt hat.

Marie-Elisabeth Miersch:

Wir hatten schon über einige Streitfaktoren... die haben wir mal angesprochen. Ich denke noch an sowas wie Schimmel, Kautionsrückzahlung, Haustiere, Mietschulden, das kommt alles noch dazu. Alles, was in so einem Mietverhältnis an Konflikten auftreten kann. Und jetzt würde ich gerne wieder Sie als Publikum fragen, weil das doch, glaube ich, großes Interesse auslöst. Wer im Publikum hatte schon einmal ein mietrechtliches Problem? Bitte wieder gerne mit Ja oder Nein antworten. Ich sehe gerade es ist noch sehr durchmischt. Vielleicht ein, zwei mehr Ja, also ich würde sagen wirklich ausgewogen. Vielleicht nochmal die, die schon mal ein mietrechtliches Problem hatten. Sind Sie dagegen dann auch juristisch vorgegangen? Ich würde sagen, auch wieder relativ ausgewogen.

Frau Zöller, haben Sie eine Erklärung dafür? Dass, ich würde sogar sagen, dass die meisten, die auch ein Problem hatten, auch dagegen wirklich juristisch vorgegangen sind. Sie haben ja vorhin gesagt, Mieterverein, da wird man erstmal in der Regel vermitteln tätig. Das deckt sich vielleicht gar nicht so genau mit dem, was wir gerade aus dem Publikum gehört haben.

Ruth Zöller:

Ach, das würde ich nicht unbedingt sagen. Es hängt meines Erachtens aber auch davon ab, worüber hat man sich gestritten. Es gibt eben Fragestellungen, da lässt sich eben keine Einigung finden. Und ja, was auch noch eine Rolle spielt vielleicht dazu, es muss auch eine Bereitschaft da sein von beiden Seiten, sich überhaupt einigen zu wollen. Und da muss ich sagen, stelle ich immer mehr fest im Laufe der Jahre, wo ich das Ganze mache, dass die Leute heute auch oftmals nicht mehr so bereit sind, von ihrer Position herunterzugehen, um eben da eine Einigung erzielen zu können.

Marie-Elisabeth Miersch:

Sie haben gerade schon genickt, ich habe Sie so hier von der Seite gehört. Aus der Vermieterperspektive?

Götz Pasker:

Also generell, ja, auch da kommt es hier drauf an, was ist es für ein Konflikt, wie ist das Mietverhältnis bisher gelaufen? Ich meine, es gibt natürlich Mietverhältnisse, die beginnen im Oktober 2023 und im Februar 2024 ist Feuer unterm Dach. Die gibt's einfach, da sind vertraglich Menschen zusammengekommen, die besser nicht zusammengekommen wären. Aber das ist was anderes, wenn ich jetzt ein Mietverhältnis habe, das im Jahr 2000 begann und man ist jetzt irgendwie, ja, aufgrund irgendwelcher Umstände ist man mal zehn Jahre oder fünfzehn Jahre später aneinandergeraten, da ist die Bereitschaft dann aufeinander zuzugehen, sagt man, man blickt ja dann zurück. Sagt dann: okay, lass uns einigen. Man muss auch immer gucken, es gibt natürlich auch die Mietverhältnisse, da ändern sich die Parteien. Also ich meine, es ist ja so heutzutage: sie haben ein Mietverhältnis mit einem Ehepaar. Die sterben nacheinander. Die Kinder werden erben und haben mit der Wohnung jetzt was anderes vor oder sehen das alles ganz anders. Ach Gott, die Eltern, die haben es seit fünfzehn Jahren keine Mieterhöhung gemacht. Die zahlen ja viel zu wenig Miete. Und dann geht's los mit der Mieterhöhung oder dann haben die natürlich andere Vorstellungen, wie jetzt das Mietobjekt innen drin aussehen soll. Das ist ein häufiger Fall, wo es Konflikte gibt, wenn es auf Vermieterseite einen Wechsel gibt. Auf Mieterseite gibt es so leicht keinen Wechsel. Also wenn die Mieter sterben, die Erben ziehen eigentlich eher selten ein. Die gibt's zwar die gesetzliche Möglichkeit, dass die Haushaltsangehörigen oder Familienangehörigen das Mietverhältnis fortsetzen, aber das ist eher selten der Fall. Aber auf Vermieterseite oder auch durch Verkauf, also wenn jetzt dann Wohnungen verkauft werden, tritt eine ganz andere Person plötzlich das Mietverhältnis ein. Das kann ich als Mieter nicht beeinflussen. Das ist einfach so. Das ist eine gesetzliche Folge. Und dann weht da plötzlich, in welche Richtung auch immer, ein anderer Wind.

Ruth Zöller:

Ich möchte jetzt nicht in Ihre Moderation eingreifen, aber mich würde jetzt wirklich interessieren, um welche Themen dass es zum Beispiel bei den Rechtsstreiten gegangen ist, weil, was wir auch im Laufe der Jahre feststellen, über die Kautionsrückzahlung wird immer mehr gestritten. Also das hat stark zugenommen. Und da geht es halt wirklich zum Teil um viel Geld. Und es ist auch kaum einzusehen, einfach zu sagen, ja gut, ich möchte nicht vor Gericht ziehen und lass eben dem Vermieter halt den Kautionsbetrag. Das sind mehrere tausend Euro und das ist nicht immer einzusehen, warum das beim Vermieter verbleiben soll.

Götz Pasker:

Na gut, da muss man zur Rechtsnatur der Kaution sagen, die Kaution ist halt ein Sicherungsmittel. Die soll Ansprüche des Vermieters sichern, wenn eben die Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses Schäden hat oder wenn ich irgendwelche Zahlungsrückstände habe am Ende des Mietverhältnisses. Und die Vermieter eben sagen, naja gut, es ist nicht so viel, also regeln wir das am Ende über die Kaution. Dafür haben wir sie ja. Auf der anderen Seite, das muss ich sagen, auf Mieterseite, das ist auch so ein Mythos. Da wird das Mietverhältnis gekündigt, dann sage ich, dann zahle ich mal vorsichtshalb, die letzten zwei Monate keine Miete mehr. Weil ich habe ja noch die Kaution zu kriegen. Das hält sich so bei manchen Mietern, ich möchte nicht generalisieren, aber bei manchen Mietern hält sich das auch, dass plötzlich dann nicht mehr bezahlt wird., "Ich verrechne das mit der Kaution". Das ist natürlich dann für die Vermieterseite auch wieder ärgerlich. Das provoziert dann auch Ärgerung.

Ruth Zöller:

Wobei man natürlich da sagen muss, gerade beim Zustand der Wohnung, wenn jetzt jemand zwanzig, dreißig Jahre, vierzig Jahre in der Wohnung gewohnt hat, und dann der Vermieter zur Zurücknahme der Wohnung kommt und erstaunt ist, dass die Wohnung nicht mehr so gut aussieht, ja, wie vor vierzig Jahren. Also da gibt's dann oftmals auch Diskussionen, aber der Vermieter muss sich zum Beispiel die normale Abnutzung schon gefallen lassen, die jede Wohnung erfährt, wenn halt jemand in der Wohnung wohnt. Dafür hat er natürlich die ganzen vierzig Jahre auch seine Miete bekommen, ja. Dass der Mieter eben die Wohnung abnutzen kann. Also insofern ist es bei der bei der Kaution also schon eine zwiespältige Geschichte.

Götz Pasker:

Aber ist schon richtig, wie die Frau Zöller sagt, die Höhe der Kaution hängt ja von der Höhe der Miete ab und sind dann teilweise, weil die Mieten halt auch recht hoch sind, teilweise recht erkleckliche Geldbeträge, um die dann auch gestritten wird. Aber, ich glaube, da stimmt mir die Frau Zöller auch zu, ich glaube, in 80 Prozent, das ist noch tiefgegriffen, in 80 Prozent der Fälle, spätestens wenn's bei Gericht ist, endet es damit, dass man sich auf irgendeinen Betrag einigt, auf den man sich auch schon vorher hätte einigen können.

Ruth Zöller:

Das ist bei Gericht in aller Regel so, ja, weil ja zunächst mal verpflichtend versucht werden muss irgendeine Einigung herbeizuführen, auch im gerichtlichen Verfahren.

Marie-Elisabeth Miersch:

Und Sie sagen schon das richtige Stichwort: Gerichte. Wir haben es gerade von Ihnen gehört, wo überall das Konfliktpotenzial lauert, aber eine Studie, die das Bundesjustizministerium in Auftrag gegeben hat 2020, die ist Ihnen, glaube ich, auch bekannt, die belegt, die Zahlen der neu eingegangenen Verfahren in erster Instanz bei Amts- und Landgerichten sind seit Jahren rückläufig. Von 2005 bis 2019 sind die Neuzugänge bei den Amtsgerichten um etwa 36 Prozent und bei den Landgerichten um rund 21 Prozent zurückgegangen. Und das ist nun was, was sich so fortsetzt. Wie sieht das denn im Mietrecht aus? Wir sind ja gerade auch noch als Anwalt tätig, Herr Pasker. Beobachten Sie das auch? Wird sich weniger gestritten?

Götz Pasker:

Beim Mietrecht müssen wir zunächst eigentlich erst mal auf die Amtsgerichte schauen, weil da landen wir kraft gesetzlicher Regelungen erst als Instanz immer, egal wie hoch der Streitwert ist. Der Verfahrensrückgang, das ist schon richtig, aber ich meine nicht, dass das also hier primär im Mietrecht war. Ich denke, die mietrechtlichen Verfahren, ich weiß nicht, wie Sie es sehen, Frau Zöller, also viel weniger geworden ist es nicht, oder?

Ruth Zöller:

Also das kann ich mir jetzt auch nicht vorstellen, gerade im mietrechtlichen Bereich. Also das, was wir sehen, also halte ich für unwahrscheinlich, dass das eher im anderen zivilrechtlichen Bereich sein muss.

Marie-Elisabeth Miersch:

Vielen Dank. Lassen Sie uns auf ein aktuelles Thema schauen. Der Wohnungsmarkt scheint außer Kontrolle. Die Mieten sind in den letzten Jahren, ich komme schon wieder auf Statistiken, um 14 Prozent gestiegen, in Großstädten um fast 25 Prozent. Wohnraum fehlt und immer mehr Mieterinnen und Mieter fühlen sich auf dem angespannten Wohnungsmarkt in einer schwächeren Position und dem mächtigen Vermieter ausgeliefert. Die Angst vor Kündigung oder steigenden Kosten führt dazu, dass viele eher Konflikte vermeiden und sich eher auch mit problematischen Mietbedingungen arrangieren. Frau Zöller, ist die Entwicklung für Mieter:innen eine Übertreibung oder Realität?

Ruth Zöller:

Leider Realität, ja. Da müssen wir ja nur in Karlsruhe uns umschauen. Und nicht umsonst ist ja Karlsruhe als angespannter Wohnungsmarkt auch offiziell bestätigt. Das sieht man schon allein daran, dass die Kappungsgrenze ja von 20 auf 15 Prozent herabgesetzt ist. Das ist ja nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt der Fall.

Marie-Elisabeth Miersch:

Ich muss Sie kurz unterbrechen. Was ist eine Kappungsgrenze?

Ruth Zöller:

Ah ja, gut. Okay, das sind Selbstverständlichkeiten. Kappungsgrenze bedeutet, dass ein Vermieter innerhalb einer bestimmten Zeit, das sind bei uns im Gesetz drei Jahre, nur um einen bestimmten maximalen Prozentsatz die Miete erhöhen darf. Nach dem Gesetz sind es 20 Prozent und eben in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten, die von der Landesregierung festgelegt werden, gilt eben die Kappungsgrenze von 15 Prozent dann innerhalb drei Jahren. Wobei viele Vermieter, vielleicht das gleich auch vorgreifend, viele Vermieter dann meinen, naja, dann darf ich ja alle drei Jahre einfach kommen und sagen, so, ich bekomme jetzt meine 15 Prozent. So ist es jetzt Gott sei Dank nicht, sondern es gilt trotzdem, wenn die, da kommt man zum nächsten Wort oder Begriff, den man erklären könnte. Wenn die ortsübliche Vergleichsmiete darunter liegt, dann kann natürlich nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete die Erhöhung erfolgen. Soll ich gleich mal zur ortsüblichen Vergleichsmiete was sagen?

Marie-Elisabeth Miersch:

Sehr gerne.

Ruth Zöller:

Also ortsübliche Vergleichsmiete ist die Miete, die für vergleichbaren Wohnraum üblicherweise in einer Gemeinde, in einer Stadt verlangt wird. Dafür haben wir ja in Karlsruhe, ich muss sagen dankenswerterweise, inzwischen den Mietspiegel. Dort lässt sich relativ einfach ermitteln, wie hoch die ortsübliche Vergleichsmiete ist, also was der Vermieter maximal verlangen kann.

Marie-Elisabeth Miersch:

Herr Pasker, wer trägt denn aus Ihrer Sicht die Verantwortung für diese Wohnungsnot, Wohnungsknappheit?

Götz Pasker:

Also man spricht ja von einem Wohnungsmarkt mit gutem Recht. Ein Markt, das ist Angebot und Nachfrage. Und die Probleme, die wir haben, sind einfach, dass die Nachfrage momentan deutlich höher ist, als das Angebot und dass sich da auf Sicht auch so schnell nichts dran ändert. Die Position der Mieter, die Sie geschildert haben, die ist so verkehrt gar nicht dargestellt. Also das Problem ist, vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren war es so, wenn es eine Krise gab im Mietverhältnis, hat man gesagt, dann ziehe ich aus und gehe in eine andere Wohnung. Das ist heute nicht mehr so einfach, weil sie finden einfach keine andere Wohnung. Wir brauchen deutlich mehr Wohnungen. Es war ja die Rede davon, dass vierhunderttausend Stück gebaut werden sollen in einem Jahr, das haben wir bei Weitem nicht erreicht und werden das auf Sicht auch nicht erreichen. Und das ist mal eigentlich das Hauptproblem. Und die Verantwortung dafür, dass genug Wohnraum gebaut wird, ich meine Wohnraum wird privat gebaut, das müssen Investitionsanreize sein und dann ist es natürlich heutzutage so, die größeren Vermieter, die im großen Stil bauen oder auch derjenige, der im kleinen Stil baut, der sagt, wenn ich das halbwegs vernünftig mache und dabei auch noch alle Auflagen und Vorgaben erfülle, die mir da von den Behörden und allen möglichen Richtlinien gegeben werden, dann muss ich am Ende des Tages meine neue Wohnung für zwanzig Euro den Quadratmeter vermieten. Man kann jetzt einem Investor oder auch jemandem, der privat baut, nicht vorwerfen, dass er mit dem, was er baut, auch eine Rendite erzielen will. Das ist bei uns systemimmanent. Und wenn er dann sagt, wenn das halbwegs funktionieren soll muss ich hier zwanzig Euro verlangen für den Quadratmeter. Die kriege ich aber nicht. Dann lass ich's lieber. Dann kommen wir halt langsam in die Situation, wie wir sie gerade haben. Also Bauen ist bei uns zu teuer und das hemmt natürlich den Wohnungsbau und führt dann auf Sicht, aufgrund des geänderten Wohnverhaltens, wie Sie es auch heute sehen, es gibt ja deutlich mehr Singlewohnungen. Früher hat man in größeren Verbänden, einfach in größeren Gruppen gewohnt. Wir haben einfach einen deutlich höheren Wohnraumbedarf.

Marie-Elisabeth Miersch:

Möchten Sie noch dazu was sagen?

Ruth Zöller:

Das möchte ich nur unterstreichen. Es sind verschiedene Punkte, die hier eine Rolle spielen. Der Kollege hat es ja schon angesprochen. Die Wohnraumknappheit, ja. Und da muss man, ich meine, man darf nicht immer nur auf die Politik schimpfen oder einprügeln. Aber hier ist es wirklich so, dass man sich da von kommunaler und auch von Landes- und Bundesebene immer mehr aus der Wohnraumförderung und aus dem Wohnraumbau herausgezogen hat, was dazu eben geführt hat, dass nur der Privatinvestor noch bauen kann oder baut. Und das ist natürlich dann so, wie es der Kollege geschildert hat, der will natürlich auch wenigstens eine Rendite haben von dem, was er hier investiert hat. Und deshalb sind das die verschiedenen Punkte, die eine Rolle spielen bei der, bei der Wohnraumknappheit, die wir haben. Zu wenig Wohnraum beziehungsweise das führt wiederum zu einer Erhöhung der Miete, weil der Wohnraum knapp ist. Dann kann ich ja auch mehr Miete verlangen, weil nicht so viele Produkte auf dem Markt sind. Und das führt dann allgemein zur Steigerung und zu der Gesamtproblematik, die wir haben. Ich meine, was natürlich noch dazu kommt, wir haben immer mehr Menschen, Sie haben es ja auch schon angesprochen, immer mehr Singlehaushalte, das heißt, es brauchen immer mehr Einzelpersonen auch einzelne Wohnungen. Vorher haben fünf, sechs Leute halt in einer Wohnung zusammen gewohnt und jetzt möchte halt einer allein in einer Ein- oder Zweizimmer- oder sogar Dreizimmerwohnung.

Marie-Elisabeth Miersch:

Aber ist es nicht auch so, dass Wohnraumknappheit abseits der politischen, wirtschaftlichen Entscheidungen auch für verschiedene Gruppen der Gesellschaft auch anders aussieht? Also ich möchte gerne nochmal bei den Vermietern bleiben. Die Vermieter verlangen ja oft detaillierte Einkommensnachweise von den Mietinteressenten und sehen auch befristete Arbeitsverträge oftmals als Ausschlusskriterium. Also man macht sich auch richtig nackig, was man da auch angeben muss an Informationen. Und solche Bedingungen oder manchmal auch Rassistische Diskriminierung, wen will ich da drin haben oder nicht, können doch bereits eine Vielzahl von Menschen vom Wohnungsmarkt ausschließen. Und da, Herr Pasker, würde mich interessieren, sind an dem Punkt nicht doch die Vermieter auch irgendwo in der Verantwortung?

Götz Pasker:

Ich hab ein gewisses Verständnis dafür. Also wir haben ja Vertragsfreiheit in Deutschland. Ich kann ja zunächst mal paktieren, mit wem ich will und von dem ich glaube, dass er den Vertrag am besten erfüllt. Ich meine, dass ein Vermieter ein gewisses Interesse daran hat, dass er dann, wenn er die Wohnung vermietet und auch übergibt, dass da auch die Miete regelmäßig kommt, dass da die wirtschaftlichen Verhältnisse so sind, dass das auch gewährleistet ist, da sollte man ein gewisses Verständnis dafür haben, weil, sagen wir mal, wenn jemand erstmal drin ist in der Wohnung, das muss man einfach so sehen, wie es ist, dann ist er erst mal drin. Wir spitzen es jetzt einfach mal zu. Er kann die Miete nicht bezahlen oder er zahlt bloß die Hälfte, dann müssen wir ein paar Monate warten, bis es überhaupt zu einer Kündigung kommt, dann wird immer noch wenig bezahlt, dann muss ich eventuell zum Amtsgericht laufen, muss da eine Räumungsklage erheben, kostet mich als Vermieter auch wieder Geld. Und alles nur, weil sich da jemand bei seinen wirtschaftlichen Verhältnissen einfach überschätzt hat. Wenn ich als Mieter sage, ich möchte diese Auskunft nicht erteilen, dann muss ich sie nicht erteilen. Der Vermieter, wenn der dann sagt, okay, dann vermiete ich nicht, dann muss ich damit leben. Dass ich mich danach erkundige als Vermieter, finde ich rechtens, da habe ich kein Thema damit. Und das jetzt also mit Diskriminierung und ähnlichem. Also offiziell wird das kein Vermieter machen, ich habe es auch nicht erlebt, dass es inoffiziell gemacht wird, weil wir haben das AGG, das Antidiskriminierungsgesetz, da drohen recht wüste Folgen, wenn ich das tue.

Marie-Elisabeth Miersch:

Kommen diese Fälle auch manchmal zu Ihnen? Das ist jetzt nicht ein rein mietrechtlicher Fall, sondern ist ja vor dem Mietverhältnis.

Ruth Zöller:

Ich sage jetzt mal, die Problematik ist die, hat der Kollege ja angesprochen, wir haben eine Vertragsfreiheit. Also dass wirklich offenkundig ein Vermieter sagt, ich nehme dich als Mieter nicht, weil du schwarz/grün/blau bist, also das wird kein vernünftiger Vermieter tun, deshalb sind hier die Angriffspunkte eigentlich nahezu null, ja. Weil wirklich, der Vermieter kann sich raussuchen, ich vermiete entweder an den Mieter A oder an den Mieter B, ohne eine Begründung abgeben zu müssen dafür. Also es müsste halt wirklich eine offensichtliche Ungerechtigkeit vorliegen, die hier dazu führt, dass der Vertrag eben mit dem einen und nicht mit dem anderen geschlossen wird.

Marie-Elisabeth Miersch:

Und Herr Pasker, Sie hatten ja gerade nochmal gesagt zu dem Thema Räumungsklagen, dass da gerade auch die Vermieter in einer schwierigen Position sind, dadurch, dass man jemanden nicht so schnell herausbekommt, nur weil er sich vielleicht in seiner wirtschaftlichen Situation überschätzt hat. Sehen Sie das auch so beim Mieterverein, Frau Zöller? Kommen da nur die Leute zu Ihnen, die sich da wirtschaftlich überschätzen?

Ruth Zöller:

Ja, nee, was heißt wirtschaftlich überschätzen? Es ist so, da muss ich dem Kollegen beipflichten, dass es recht schwierig ist für einen Vermieter, einen Mieter aus der Wohnung herauszubekommen. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass sich der Mieter dann einem Gerichtsverfahren gegenüber sieht mit ungewissem Ausgang, an dessen Ende er dann wohl doch seine Wohnung verlieren wird. Es zieht sich eben nur hinaus und außerdem ist es mit recht hohen Kosten verbunden, wenn erst mal das Gerichtsverfahren in Gang gekommen ist. Nicht jeder Mieter ist rechtsschutzversichert. Und das bedeutet dann zum Beispiel, dass er vielleicht mit einem, zum einen mit den Forderungen des Vermieters konfrontiert ist, zu denen verurteilt wird, dass er die zu bezahlen hat. Und auch noch mit recht hohen Kosten für das gerichtliche Verfahren.

Götz Pasker:

Diese Verfahren, wenn wir jetzt bei den Räumungsverfahren sind, die enden ja oft auch damit, da wird Klage eingereicht und man verständigt sich noch auf den sogenannten Räumungsvergleich, dass man sagt, okay, man schließt einen gerichtlichen Vergleich, das ist eine gerichtliche Vereinbarung, man sagt, okay, wir sind uns darüber einig, das Mietverhältnis endet. Zudem sagen wir jetzt einfach mal 30.6.2025 und der Mieter verpflichtet sich da auszuziehen und was die Kosten angeht, einigt man sich darauf, dass jeder seine eigenen Anwaltskosten trägt. Hat für den Vermieter den Charme, er hat Planungssicherheit, der zieht dann wirklich aus. Ich muss nicht fürchten, auch wenn ich meine, ich bin siegesgewiss, ich werde die Instanz gewinnen, weil ich doch einen Kündigungsgrund habe. Ich muss keine Berufungsinstanz fürchten. Ich habe Planungssicherheit und für den Mieter hat es auch den Vorteil, er weiß, wie er dran ist und kann planen.

Ruth Zöller:

Wobei man da natürlich sagen muss, dass dann der Druck noch höher ist auf Mieterseite, weil dann eben eine Verpflichtung besteht, zum bestimmten Termin wirklich raus zu müssen aus der Wohnung und wenig Möglichkeiten dann da sind, noch über diesen Termin dann hinauszukommen, wenn der Auszug doch nicht funktionieren sollte zu dem Termin.

Marie-Elisabeth Miersch:

Noch ein Hammer-Thema: die Mietpreisbremse. In den Schlagzeilen der letzten Tage war immer wieder zu lesen: Union und SPD wollen die Mietpreisbremse verlängern. Frau Zöller, was ist denn diese Mietpreisbremse und ist sie sinnvoll?

Ruth Zöller:

Also Mietpreisbremse bedeutet, dass bei Neuvermietungen von Wohnraum, wobei es da auch erhebliche Einschränkungen gibt, aber bei Neuvermietungen von Wohnraum, die Miete nicht ganz frei festgelegt werden kann von Vermieterseite, sondern lediglich, in Anführungszeichen lediglich, bis zu zehn Prozent über die ortsübliche Vergleichsmiete gegangen werden kann von Vermieterseite. Aber wie ich schon angedeutet habe, da gibt es so viele Ausnahmen. Für mich ist es sehr schwierig zu sagen, es ist wirklich eine sehr gute Regelung, die man unbedingt so aufrechterhalten soll, weil vor ein paar Jahren auch zu dem Thema, wurde ich mal interviewt und habe dann das als stumpfes Schwert bezeichnet. Und da stehe ich eigentlich auch weiterhin dazu, weil eben viele Ausnahmen herrschen und insofern, dass von Vermieterseite eben leicht ausgehebelt werden kann, dass diese Regelung greift.

Götz Pasker:

Die gravierendste Ausnahme ist ja eben, dass diese Mietpreisbremse auf neue Wohnungen, also Wohnungen, die nach dem Jahr 2015 errichtet wurden bei der Erstvermietung gar keine Anwendung findet. Also wenn heute einer neu baut und sagt, ich habe hier eine neue Wohnung zu vermieten, dann kann er die Miete im Wesentlichen erstmal frei gestalten. Es ist auch evaluiert worden, das Ziel der Mietpreisbremse war ja, den Anstieg der Mieten zu vermeiden. Das ist jetzt nicht gelungen. Ich denke, es gibt Gebiete, da macht es durchaus Sinn. Ich glaube, in Karlsruhe spielt es nicht so die große Rolle. Also in Städten wie jetzt Berlin oder Hamburg mit sehr viel Altbestand, mehr Altbestand. Karlsruhe ist jetzt keine fürchterlich alte Stadt. Aber mit sehr viel Altbestand, da könnte es... aber man sollte sich nicht daran aufhängen, dass das alle Probleme löst.

Ruth Zöller:

Was man natürlich auch sehen muss, ist, dass ich mich als Mieter dann recht bald nach Beginn des Mietverhältnisses ja dann mit meinem Vermieter anlegen muss, sag ich jetzt mal. Weil, ich miete eine Wohnung an, sehenden Auges, also das kann ich ja als Mieter, obwohl ich schon festgestellt habe, dass der Mietpreis zu hoch ist, also mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Und dann will ich ja aber mein Geld dann eigentlich zurück, das ich zu viel gezahlt habe. Das heißt, ich muss dann gleich in die Offensive gehen und muss meinem Vermieter mitteilen, du verlangst zu viel Miete von mir. Und das heißt natürlich, dass das Mietverhältnis dann von Anfang an auch belastet ist.

Marie-Elisabeth Miersch:

Was kann ich denn mietrechtlich tun, wenn die Miete zu hoch ist?

Ruth Zöller:

Also wenn die Mietpreisbremse greift, kann ich den Betrag, der über diesen zehn Prozent liegt, den kann ich zurückfordern von Vermieterseite. Und kann verlangen, dass für die Zukunft auch wirklich nur dieses Maximum bezahlt werden muss.

Marie-Elisabeth Miersch:

Hatten Sie auch schon Fälle derart bei sich im Mieterverein, wo Sie erfolgreich gegen zu hohe Mieten vorgegangen sind?

Ruth Zöller:

Da muss ich sagen, ist gemischt, ja, weil ohne gerichtliches Verfahren funktioniert das in aller Regel nicht. Es gibt auch wirklich einsichtige Vermieterinnen und Vermieter, aber in aller Regel muss das gerichtlich geklärt werden.

Marie-Elisabeth Miersch:

Würden Sie das auch so sehen?

Götz Pasker:

Ich glaube, ich vertrete nur die Guten, ich hatte es noch nicht. In der Tat, ich hatte noch keinen einzigen Fall, weder auf Mieter noch auf Vermieterseite, wo jetzt einer kam und sagt, ja, ich zahle eine überhöhte Miete. Was wir aber viel haben, sind diese Mieterhöhungsgeschichten, die reguläre Mieterhöhung, das kommt viel. Aber Mietpreisbremse hatte ich jetzt, ganz ehrlich gesagt, noch gar nicht und ich mache viel Mietrecht.

Marie-Elisabeth Miersch:

Frau Zöller, Sie hatten vorhin schon diese Notsituation angesprochen. Was sagt denn das über das Recht aus, wenn Menschen gerade in Notsituationen davor zurückschrecken, sich ihr Recht zu erstreiten, aus Angst vielleicht in eine noch größere Notsituation zu kommen.

Ruth Zöller:

Ja, ich denke, dass es nicht unbedingt was mit unserem Recht oder dass das Recht schlecht ist, zu tun hat, sondern eben die Frage, möchte ich mich wirklich mit meinem Vertragspartner so auseinandersetzen, dass das Verhältnis halt so schlecht wird, dass der Vertragspartner dann bei nächster Gelegenheit vielleicht versucht, dann auch mich loszuwerden.

Marie-Elisabeth Miersch:

Herr Pasker, würden Sie dann auch sagen, dass die Vermieter da eigentlich immer in einer mächtigeren Position sind?

Götz Pasker:

Ich weiß gar nicht, ob es da so wirklich um Macht geht. Klar, also man hat dann den Vermieter, der sagt, der regt mich auf, der regt mich so auf, ich möchte ihn loswerden. Dann sage ich halt, okay, wir brauchen ein berechtigtes Interesse und das ist relativ klar abgegrenzt im Wohnraummietrecht. Ich brauche eine Vertragsverletzung, also das muss schon was Gravierendes sein. Ich brauche den Eigenbedarf. Der kann gegeben sein. Und die dritte Möglichkeit ist die sogenannte Verwertungskündigung, die geht aber so gut wie nie durch. Allein der Wunsch des Vermieters, sich von seinem ihm missliebigen Mieter zu trennen, der reicht nicht aus.

Marie-Elisabeth Miersch:

Was passiert bei einer Verwertungskündigung?

Götz Pasker:

Verwertungskündigung, ja, das ist ein weites Feld. Das ist schwierig zu erklären. Es ist so, dass der Vermieter die Möglichkeit hat, ein Mietverhältnis zu kündigen, wenn ihm bei der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den gegebenen Konditionen schwere wirtschaftliche Nachteile entstehen. Es klingt jetzt mal so, dass man sagen kann, ich hätte eigentlich gern Miete, ich kündige mal. Geht nicht. Da muss also schon hier eine völlig verfallene Bausubstanz vorliegen, ich muss hier das ganze Haus kernsanieren, weil es ansonsten bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entspricht. Dann gehen so Dinge, aber in der Praxis kann ich sagen, es ist äußerst schwierig und auch relativ wenige Vermieter, greifen da dazu oder kriegen es auch mit Erfolg durch. Was ich in der Vergangenheit schon festgestellt habe - da habe ich allerdings auf Mieterseite vertreten bei einer Verwertungskündigung - dass die einfach mal ausgesprochen wird in der Hoffnung, ich habe hier zehn Mieter, mit acht verständige ich mich, die anderen zwei, die werden schon gehen. So wird das oft praktiziert. Ich meine, das ist jetzt nichts, was das Rechtssystem vorsieht, aber wir müssen uns auch der Praxis stellen. Man liest es ja auch immer mal wieder, kriegt es aus der Presse mit, das halt in Großstädten oder auch dann wenn größere, ältere Objekte saniert werden sollen, dass da halt auch mit sehr zweifelhaften Mitteln dann versucht wird, die Leute einfach rauszudrängen, aber das hat mit dem Rechtssystem nichts zu tun. Das hat auch mit Macht nichts zu tun, das ist einfach kriminell.

Marie-Elisabeth Miersch:

Wenn wir über Mietpreisregulierung sprechen, dann ist auch immer die Staffelmiete wieder ein Thema, das aufkommt. Also zulässige Mieterhöhungen, die so im Bürgerlichen Gesetzbuch auch stehen, die schon im Mietvertrag festgelegt sind. Frau Zöller, halten Sie dieses Modell für gerecht oder ist es vielleicht wieder eine zusätzliche Hürde für Mieter:innen in so einem angespannten Wohnungsmarkt?

Ruth Zöller:

Also ich habe festgestellt in meiner Praxis, dass es den Mieterinnen und Mietern oft recht ist, wenn es so eine Staffelvereinbarung gibt. Weil ich dann genau weiß, ich habe jetzt schon so und so viel Miete zu zahlen und in zwei Jahren habe ich eben den entsprechenden Zuschlag dann zu zahlen. Also die Planbarkeit ist eigentlich höher für die Mieterinnen und Mieter. Ich habe natürlich auch schon Staffelmietvereinbarungen gesehen, also da sind einem fast die Haare vom Kopf gefallen, weil die also total überzogen waren von der Höhe her. Kommt aber Gott sei Dank auch nicht so oft vor. Was der Vorteil ist bei so einer Staffelmietvereinbarung vielleicht, den man rausstellen kann oder rausstellen sollte, dass dann, wenn Modernisierungen zum Beispiel durchgeführt werden von einem Vermieter, dann kann in aller Regel, gibt es auch wieder Ausnahmen, aber in aller Regel können dann keine Modernisierungsmieterhöhungen zusätzlich durchgeführt werden. Weil das auch gerade im Lichte des Heizungsgesetzes, wie so schön genannt wird, also offiziell heißt es ja Gebäude-Energie-Gesetz, aber gerade energetische Vorschriften sich erheblich verschärft haben, viele Modernisierungen gemacht werden müssen aufgrund einer defekten Heizung, es wird eine neue Heizanlage eingebaut, dann muss halt noch Photovoltaik aufs Dach und Dämmung des Hauses erfolgen. Was ja erhebliche Kosten verursacht, was aber letztendlich dann wieder auf die Mieter umgelegt, also teilweise auf die Mieter umgelegt werden kann. Und bei so einer Staffelmietvereinbarung ist es eben so, dass es nicht erfolgen kann.

Marie-Elisabeth Miersch:

Ich würde gerne nochmal das Publikum fragen, weil wir jetzt schon viel über mögliche Rechte und Pflichten von Vermietern und Mietern gesprochen haben. Wie sehen Sie das? Wie ist Ihr Eindruck? Glauben Sie, dass der Vermieter mehr Rechte hat als der Mieter, da gerne mit Ja oder Nein antworten? Es ist so ein unausgeglichenes Ergebnis schon wieder. Ich würde sagen, vielleicht ein paar mehr Nein-Stimmen als Ja-Stimmen. An Sie nochmal vielleicht gegeben, wie würden Sie es sehen?

Götz Pasker:

Es hat jeder Rechte und Pflichten im Mietverhältnis, es hat aus meiner Sicht keiner mehr und keiner weniger. Man muss ja auch sehen, das Ganze ist im BGB geregelt. Das Mietrecht in seinen Grundfesten gibt es, glaube ich, seit mehr als einhundert Jahren, glaube ich. Und es funktioniert ganz gut. Und was man vielleicht auch noch betonen muss, bei uns landen ja nur die kriselnden Fälle. Die sind aber weitaus die wenigsten im Anbetracht der ganzen Mietverhältnisse, die es gibt. Die meisten Mietverhältnisse laufen völlig geräuschlos. Das ist mein Eindruck.

Marie-Elisabeth Miersch:

Dann hätten wahrscheinlich alle mit Nein geantwortet, wenn man gesagt hätte, alle haben dieselben Rechte. Frau Zöller, können Sie sich das erklären, warum man sich da nicht einig ist.

Ruth Zöller:

Ich denke, dass hier so die Gewichtung eine Rolle spielt. Wer setzt sich letztendlich durch? Und da sehe ich, dass es letztendlich der Vermieter sein wird, der dann Ich sag mal, am längeren Hebel sitzt. Und ich denke, dass das hier bei der Bewertung eine Rolle spielt.

Marie-Elisabeth Miersch:

Ein letztes Thema hätte ich noch gern: Eigenbedarf. Sie hatten das, Herr Pasker, vorhin schon mal kurz erwähnt. Der Mieterverein fordert ja unter anderem, dass Eigenbedarfskündigungen enger gefasst werden. Herr Pasker, erst mal, wie schätzen Sie denn gerade die aktuelle Rechtslage dazu ein?

Götz Pasker:

Mich würde erst mal ein Statement vom Mieterbund interessieren, was soll da enger gefasst werden? Es ging an mir vorbei, muss ich ehrlich sagen.

Ruth Zöller:

Enger gefasst, das muss man vielleicht etwas anders formulieren. Dass eben der Tatbestand, der im Gesetz steht, genauer gefasst wird bzw. eingeschränkt wird, für welchen Personenkreis eben Eigenbedarf geltend gemacht werden kann. Weil es da im Moment schon sehr viele Möglichkeiten gibt oder auch die Möglichkeit gibt, weiterstehende Verwandte, für die dann Eigenbedarf geltend zu machen. Man muss es zwar entsprechend begründen, aber die Möglichkeit besteht. Und deshalb die Forderung des Mieterbundes hier den Tatbestand einfach enger zu fassen.

Götz Pasker:

Ja, also man muss ja sagen, der Tatbestand ist im Gesetz recht weit gefasst, da heißt es für sich oder einen Familienangehörigen, das ist so die Gruppe. Wobei durch die Rechtsprechung ist es eigentlich schon ziemlich, also schon einigermaßen eingedampft worden. Also meinen Cousin dritten Grades oder sowas, den bringe ich da nicht unter.

Ruth Zöller:

Richtig begründen dann.

Götz Pasker:

Richtig begründen, warum ich ihm so nahestehe, dann kriege ich es unter. Ne, also die Eigenbedarfskündigung ist ja, man muss einfach mal sehen, wo kommt sie denn her, die Eigenbedarfskündigung. Die ist ein Ausfluss aus der grundgesetzlich geschützten Eigentumsgarantie. Es ist meine Wohnung. Es ist meine Wohnung, die habe ich vermietet, wenn ich sie aber für mich oder für eine mir nahestehende Person haben will. Diese Fälle haben wir jetzt oft bei den von mir vorhin angesprochenen Wohnungsveräußerungen, wo ich dann plötzlich einen anderen Vermieter habe. Ich habe eine Eigentumswohnung, die Wohnung ist vermietet, die ist zehn Jahre vermietet. Dann entschließe ich mich, weil ich entweder Geld, weil ich liquide Mittel brauche oder weil ich keine Eigentumswohnung mehr haben will, die wird verkauft, die Eigentumswohnung. Es kommt ein neuer Eigentümer, der sagt, ich finde die Wohnung toll, ich will da einziehen. Und dann ist die Eigenbedarfskündigung da. Das ist kein Problem zwischen dem alten Vermieter und dem bisherigen Mieter, sondern es ist etwas, das ergibt sich schlicht und ergreifend daraus, dass jetzt ein anderer Vermieter da ist. Einer der vielen Fälle der Eigenbedarfskündigung, die wir halt haben.

Ruth Zöller:

Ich möchte da noch was dazulegen und zwar vor einigen Jahren hat sich da die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geändert, indem eben die Begründungspflicht für die Eigenbedarfskündigungen, also die Anforderungen für die Begründung herabgesetzt wurden und das stellt für unsere Beratung, gerade für unsere Beratung, größeres Problem dar. Weil man dann hierdurch weniger einschätzen kann, ist es jetzt wirklich eine ernsthafte beziehungsweise eine korrekte Eigenbedarfskündigung, die wirklich begründet ist. Oder ist es doch vorgeschoben, weil man halt den Mieter loswerden will und auf anderem Wege nicht losbekommt. Und wenn der Vermieter keine so ausführliche Begründung liefern muss, kann ich das schlecht beurteilen und muss dann den Mieter unter Umständen sehenden Auges dann halt in ein gerichtliches Verfahren laufen lassen, um das dort zu klären. Weil spätestens dort muss dann die Vermieterseite eben die Karten auf den Tisch legen.

Marie-Elisabeth Miersch:

Wie kriegen Sie das aus Ihrer alltäglichen Arbeit mit, wenn Sie die Vermieterseite vertreten? Begründen die gut? Würden Sie sagen, das läuft eigentlich schon, das ist eigentlich gar nicht so ein Riesenproblem mit der Eigenbedarfsbegründung?

Götz Pasker:

Ja gut, die kommen zu mir und sagen, der Ablauf ist der, die sagen, ich habe eine Wohnung, ich möchte, dass da meine Tochter oder Sohn einzieht, was wir in letzter Zeit auch haben: ich habe eine Wohnung, die ist im Erdgeschoss. Ich werde alt und pflegebedürftig, ich möchte in der Wohnung im ersten OG eine Pflegeperson unterbringen, haben wir auch öfter. Wird auch akzeptiert. Die kommen mit ihrer Vorstellung, die sagen, jetzt schreibt mir mal die Kündigung. Die Begründung an sich, also das vernünftig zu begründen, ist dann mein Job. Dass ich das so darlege. Und ich meine, diese Begründungspflicht, die steht ja auch nicht im Gesetz, nur dass sie drinsteht, sondern die soll den Mieter einfach in die Lage versetzen, der soll das lesen, sagen, ja, klar, kann ich verstehen, der braucht die Wohnung.

Marie-Elisabeth Miersch:

Aber ist das so bei den Mietern, dass die immer sagen, ah ja, natürlich, das kann ich total verstehen, wenn ich vor allem 30 Jahre in einer wohne?

Götz Pasker:

Es gibt da auch wirklich Harte Fälle, gerade bei den von mir geschilderten Fällen, wo der Vermieter wechselt. Wir haben da Mieter, wir haben da hochbetagte Mieter, die wohnen seit 20 Jahren drin. Die wohnen seit 20 Jahren drin, haben ihr komplettes soziales Umfeld in der Umgebung, sagen, wir sind da verwurzelt, ich will jetzt in meinem Alter nicht mehr umziehen. Aber da muss man dann einfach sagen, da nimmt das Gesetz keine Rücksicht drauf. Der hat die längere Kündigungsfrist, aber Alter allein schützt dann vor der Kündigung nicht, wenn der Eigenbedarf tatsächlich gegeben wird. Und der wird ja spätestens dann, wenn es zum gerichtlichen Verfahren kommt, wird der ja schon überprüft. Da wird ja derjenige, für den der Eigenbedarf geltend gemacht wird, der wird als Zeuge vernommen. Und wie gesagt, wir hatten es vorhin im Vorgespräch schon, man kann schon mal ein bisschen flunkern, die Unwahrheit sagen, aber vor Gericht lügen ist eine eigene Nummer. Das macht keiner so ohne weiteres. Da wird ja vorher schon mal belehrt vom Richter oder der Richterin, was ihm blüht und droht, wenn er die Unwahrheit sagt.

Marie-Elisabeth Miersch:

Was ist jetzt nochmal abschließend dazu, aber Ihre praktische alltägliche Erfahrung mit diesen Eigenbedarfskündigungen, was sagen Sie dann den Mieter:innen, die zu Ihnen kommen? Lieber nicht, weil wir wissen nicht, was da noch begründet wird vom Herrn Pasker auf der anderen Seite.

Ruth Zöller:

Ja gut, es gibt vielleicht… wir müssen mal wieder eine schicken, dann kann ich es beurteilen, wie super begründet die ist. Also wenn wirklich das ausführlicher begründet wird und auch nachvollziehbar ist, dann beraten wir oder müssen wir natürlich so beraten, dass letztendlich die Wohnung geräumt werden muss. Und dann aber über die Möglichkeiten ja beraten können und auch beraten müssen, die man hat, wenn es eben nicht funktioniert, innerhalb der Kündigungsfrist eine Wohnung zu finden. Da gibt's ja für die Mieterinnen und Mieter die Möglichkeit zum Beispiel Widerspruch gegen eine Kündigung dann einzulegen. Der Widerspruch muss natürlich auch ordentlich begründet sein und muss letztendlich auch bewiesen werden können, dass die Gründe da sind, dass man zum Beispiel sich intensiv um die Anmietung von einer Wohnung bemüht hat, aber trotz dieser intensiven Bemühungen keine Wohnung bekommen hat. Was nicht ungewöhnlich ist bei unserem Wohnungsmarkt und dann die Möglichkeit besteht, eben die Verlängerung des Mietverhältnisses zu erreichen.

Marie-Elisabeth Miersch:

Ja, vielen Dank. Eine letzte Frage an Sie beide: Was sind Ihrer Meinung nach die größten, vielleicht auch gemeinsame Herausforderungen für Vermieter, Mieterinnen, mit denen Sie sich in Zukunft beschäftigen werden? Sowohl aus anwaltlicher Sicht als auch aus Mietervereinssicht.

Ruth Zöller:

Also ich denke, was uns weiterhin erhalten bleiben wird, ja, bei der Beratung, werden die Betriebskostenabrechnungen sein, weil es da eben um viel Geld geht, wie ich ja vorhin schon ausgeführt habe. Und ein weiterer wichtiger Punkt oder leider großer Punkt bei der Beratung sind auch Mängel an der Mietsache, weil gerade Schimmel ist ja eines der häufigsten Themen hier auch, da auch gesundheitliche Probleme eben die Folge sein können, wenn Mieterinnen und Mieter halt in einer feuchten, verschimmelten Wohnung leben müssen.

Götz Pasker:

Ich denke, ein großer Punkt wird halt auch die kostenmäßige Bewältigung und Verteilung von energetischen Sanierungen sein. Die sind politisch gewollt. Die werden umgesetzt werden. Solche Modernisierungen, die produzieren Umlage, die führen kraft Gesetzes zu einer Mieterhöhung. Die muss man natürlich geltend machen, aber die sind teuer, solche Arbeiten. Sie hatten ja das Gebäude-Energie-Gesetz zitiert. Wenn da solche Anlagen eingebaut werden, das wird teuer. Aber es wird größeren Raum einnehmen als bisher, nämlich und in der Zukunft.

Marie-Elisabeth Miersch:

Liebe Frau Zöller, lieber Herr Pasker, ich danke Ihnen von Herzen für das Gespräch und dass Sie sich heute die Zeit für uns genommen haben. Gerne.

Das war Let's Talk About Recht, der Live-on-Tape-Podcast zur Gesprächsreihe der Stiftung Forum Recht. Schön, dass ihr dabei wart. Wenn euch das Gespräch gefallen hat, hört doch an die anderen Folgen rein. Für mehr Informationen und spannende Einblicke ins Recht, folgt uns auf Instagram oder besucht uns auf unserer Website. Bis zum nächsten Mal.

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